Wie der HammerClub entstand

Wie der HammerClub entstand

Erstveröffentlichung in »Im Dialog mit der Natur«, Stiftung Gold- und Silberschmiedekunst in Schwäbisch-Gmünd 2014

Ich freue mich, dem HammerClub zu seinem 12. Jubiläum zu gratulieren. Er wurde im Jahr 2002 in Hamburg begründet, und ich war Augenzeuge.

Seine Entstehungsgeschichte ist schnell erzählt: Der Gedanke eines Zusammenschlusses von Gleichgesinnten aus dem Silberschmiede-Gewerk kursierte schon einige Zeit. Zwei Weggefährten, Wilfried Moll und Jan Wege, befeuerten die Idee. Wilfried hielt im Jahr 1999 mit Unterstützung der Schleswig-Holsteinischen Sparkassen-Stiftung, vermittelt durch Heinz Spielmann, einen mehrwöchigen Workshop im Silberschmieden in Schloss Salzau (Schleswig-Holstein) ab. Beteiligt waren dabei Jan Wege, Bo-Hyung Koh aus Korea, der damals noch in Nürnberg wohnte, Florian Blume, Oliver Schmidt und einige andere junge Silberschmiede. Gefäße wurden hochgezogen, Bestecke geschmiedet, Modelle gebaut, Entwürfe gezeichnet etc. Zwei Tage waren einem Besuch in Kopenhagen vorbehalten. Wilfried Moll hatte in der Stadt einen Teil seiner Gesellenjahre verbracht und kannte sich immer noch gut aus. Aktueller Anlass für den Trip war ein Besuch bei Allan Scharff, der seinerzeit als künstlerischer Leiter der Silberschmiedeabteilung von Georg Jensen vorstand und in der Sölvgade eine eigene Werkstatt führte.

Beim Spaziergehen durch die Stadt entdeckte die Gruppe in einem alten Werkzeugladen einen mächtigen Hammer aus Schmiedestahl zum Schmieden von Besteck, der so offensichtlich groß war, dass ihn wohl einst nur ein überaus kräftiger Mann, ein Hüne, hat schwingen können. Wilfried war so fasziniert, dass er ihn erwarb und mit nach Salzau nahm. Bald beflügelte der Hammer die Phantasie aller Beteiligten am Workshop, braucht doch jeder Silberschmied eine ganze Garnitur von Hämmern für die verschiedensten Vorgänge der Silberbearbeitung. Auch Jan, der für altes Werkzeug des Schmiedehandwerks immer schon eine Passion hatte und Schmiedewerkzeuge sammelte, geriet ins Schwärmen, und bald entstand der Plan, für Wilfried einen Hammer zu schmieden und ihm diesen am Ende des Workshops als Geschenk zu überreichen. Daraus wurde eine Gemeinschaftsarbeit zwischen Bo-Hyung Koh und Jan. Als Wilfried ihn beim Abschlussfest in der Remise des Schlosses entgegennahm, steckte er ihn ganz vertraut in den Gürtel, und selbst als man schließlich in ausgelassener Stimmung zum Tanzen überging, legte er ihn nicht mehr ab. Für Wilfried war es Liebe auf den ersten Blick, denn der Hammer hat eine schöne Proportion und einen leicht eingezogenen Stiel; mit seinen langen, leicht gebogenen Armen eignet er sich besonders gut zum Schmieden von Bechern. Inzwischen ist er zum Signet des HammerClubs geworden und schmückt dessen Website.

Wilfried hatte ein Jahr zuvor einen Kursus im Warmschmieden in den Bergen Thailands geleitet. Für ihn ist Silberschmieden weit mehr als nur bloßes Handwerk, es ist gleichbedeutend mit dem Leben, eine Philosophie. Das Schlagen oder Aufziehen des Metalls ist keine monotone Tätigkeit, sondern ein Prozess, der den Kopf frei setzt, und der zudem mit der reinigenden Kraft des Feuers eng verbunden ist. Bei solchen Schilderungen habe ich Wilfried immer fasziniert zugehört.

Geschichten von Hämmern, großen und kleinen, alten und neuen, selbstgemachten oder industriell gefertigten, Spezial- und Standardhämmern, einigen, die schon in Werkzeugmuseen gelandet sind oder solche, die man noch kaufen kann, hörte ich in Gesprächen mit Wilfried und Jan mehrfach. Immer wieder schwärmten sie von ihrer Formschönheit und Effizienz. Und irgendwann einmal stand die Idee im Raum, eine Solidargemeinschaft von Hammer-Enthusiasten zusammen zu bringen. Es fehlte nur noch der Anlass. Dieser ergab sich dann auf der Jahresmesse des Museums für Kunst und Gewerbe im November 2002. Wir stellten das Gewerk Silber in den Mittelpunkt der Messe und luden auswärtige Silberschmiede ein, möglichst zahlreich als Gäste teilzunehmen. Im Pressetext des Museums hieß es dazu: „Einen besonderen Schwerpunkt bilden in diesem Jahr zwölf Silberschmiede und Metallwerker. Ihre Arbeiten, darunter Tee- und Kaffeekannen, Leuchter, Schalen, Fonduesets, Pfeffer- und Salzbehälter, Stövchen, Serviettenhalter, Tabletts, Vorlegebestecke etc. sind samt und sonders handwerklich gearbeitet und von erlesener Qualität. Unter den Ausstellern befinden sich zahlreiche Gäste aus Bayern. Ein besonders Highlight stellt der Stand der Silberschmiedeklasse der Akademie der Künste, Nürnberg, unter Leitung von Frau Prof. Ulla Mayer, dar. Die Nürnberger Akademie ist eine der noch wenigen Ausbildungsstätten für Silberschmiede, die in Deutschland verblieben sind; auch Bronze- und Eisenguss wird dort betreiben.“

Um dem Gewerk Silberschmieden auf der Messe zusätzliche Aufmerksamkeit zu Teil werden zu lassen, veranstalteten wir Samstag, den 30. November, nachmittags ein kleines Symposion im Foyer des Museums, auf dem neben Wilfried Brömstrup, Berthold Hoffmann, Dedo von Kerssenbrock-Krosigk, Ulla Mayer auch Wilfried Moll einen Vortrag hielt; sein Titel hieß: „Beschwingte Hämmer“.

Für den Abend hatte die Galeristin Hilde Leiss zu einem Empfang und Abendessen in ihre Räumen am Großen Burstah gebeten. Ich hatte dazu eine Einladung verfasst, aus der hier einige Sätze zitiert werden sollen:

„Vor einiger Zeit konstituierte sich um Wilfried Moll, Allan Scharff und Jan Wege der sog. Hammer-Club, ein Freundeskreis der Silberschmiede, der – kaum war er geboren – sich schon großen Interesses erfreute. (…)

Noch verstehen sich die Mitglieder des Hammer-Clubs als informeller Freundeskreis. Bald schon könnte daraus eine aktive Gemeinschaft werden. Es ist Zeit sich kennenzulernen.

Das wollen wir am 30. November, ab 19 Uhr in den Galerieräumen von Hilde Leiss, Großer Burstah 38, 20457 Hamburg verwirklichen. Der Hammer-Club feiert dann sein erstes Fest. Wenn ihr dabei sein wollt und mit einem Unkostenbeitrag von 15 Euro einverstanden seid, lasst mich dies bitte bis zum 15. November wissen. Der Platz ist begrenzt, auch Essen und Trinken wollen vorbereitet sein. (…)

Der Hammer-Club hofft auf regen Zuspruch und grüßt Euch herzlich.“

Dass der HammerClub bereits existierte, stimmte natürlich nicht ganz. Es waren taktische Gründe, die uns verlassten, sein Bestehen vorauszusetzen, um langatmige Grundsatzdiskussionen von vornherein zu vermeiden.

Pate bei der Idee des HammerClubs hatte, zumindest in meinem Kopf, der Freundeskreis der holländischen Silberschmiede gestanden. Diesen hatte ich anlässlich einer Führung in der Ausstellung „Ein rheinischer Silberschatz“ im Frühsommer 1980 im Kölner Overstolzenhaus kennengelernt. Bei dieser Gelegenheit begegnete ich dem „Präsidenten“ Wim Hoffman und seiner Stellvertreterin Annelis Krekel-Aalberse und erfuhr, wie sich die holländischen Silberfreunde organisierten: ohne alle Vereinsstatuten, kamen sie zu besonderen Anlässen bei Ausstellungen im In- und Ausland zusammen. Jeder Teilnehmer organsierte seine Reise selbst; man tauschte sich aus und plante dabei schon das nächste Treffen. Das Modell funktionierte offenbar über alle Maßen gut, die Beteiligung der „Mitglieder“ war äußerst rege. Es gab keine Mitgliedsbeiträge, alle beteiligten sich freiwillig.

Der Abend in der Galerie Leiss war überaus lebhaft. Viele Silberschmiede kamen, Hilde Leiss hatte wieder einmal wunderbar gekocht, ihre Gastfreundschaft war unübertroffen. Nach dem Essen schwang ich mich auf, eine Rede zu halten, in der ich meiner Freude über die Zusammenkunft Ausdruck gab und den HammerClub sozusagen „offiziell“ vorstellte. Gerne hätte ich einen Präsidenten aufgerufen, um das Wort an ihn weiter zu geben, aber in dem Moment war niemand bereit, sich für das „Amt“ zur Verfügung zu stellen.

Ich war für einen Moment enttäuscht, aber im Nachhinein betrachtet war es kein Manko, denn bald zeigte sich, wie gut der HammerClub auch ohne Präsidenten funktionieren konnte. Entscheidend war der Wille, die einmal begonnene Initiative fortzusetzen.

Zum Glück meldeten sich unter den bei Hilde Leiss anwesenden Teilnehmern aus anderen Städten einige zu Wort und erklärten sich bereit, in absehbarer Zeit ein großes „HammerClub- Treffen“ vorzubereiten. Meiner Erinnerung nach war das Berliner Treffen im Frühjahr 2004 das erste seiner Art. Danach folgte jedes Jahr eine Zusammenkunft, und bald versammelte man sich auch im Ausland, in Kolding, Herzogenbosch, Kopenhagen, Antwerpen und Trondheim. Mittlerweile fühlen sich viele Silberschmiede dem HammerClub verbunden wie zu einer großen Familie. Der HammerClub hat auch das Glück, in Jörg Schwandt und Peter Krebs zwei engagierte Liebhaber der Silberschmiedekunst zu haben, die die Organisation des jeweils nächsten Treffens in die Hand nehmen und sich mit Aufsätzen und exzellenter Pressearbeit an ein größeres Publikum wenden. Heute ist der HammerClub fest installiert und besitzt im Konzert der angewandten Künste, nicht nur in Deutschland, eine vernehmbare Stimme.

Für die Kunst des Silberschmiedens müssen wir weiterhin werben. In diesem Sinne wünsche ich dem HammerClub eine große Zukunft.

Rüdiger Joppien

How the HammerClub was founded

First published in »In dialogue with nature«, Stiftung Gold-und Silberschmiedekunst in Schwäbisch-Gmünd 2014

I am pleased to congratulate the HammerClub on its 12th anniversary. It was founded in Hamburg in 2002 and I was an eyewitness.

Its history is quickly told: the idea of a gathering of like-minded people from the craft of silversmithing had circulated already for some time. Two companions, Wilfried Moll and Jan Wege, came up with the idea. With the support of the Schleswig-Holsteinische Sparkassen-Stiftung and mediated by Heinz Spielmann, Wilfried held a multi-week workshop for silversmiths at Salzau Castle (Schleswig-Holstein) in 1999. Jan Wege, Bo-Hyung Koh from Korea, who then still lived in Nuremberg, Florian Blume, Oliver Schmidt and some other young silversmiths took part. Vessels were raised, cutlery forged, models built, designs drawn etc. Two days were reserved for visiting Copenhagen. Wilfried Moll had spent part of his journeyman years in that city and still knew his way around. The actual reason for the trip was a visit to Allan Scharff, who at that time was artistic director of the Georg Jensen silversmith department and run his own workshop in the Sölvgade (Silver Street).

While wandering through the city, in an old hardware store the group discovered a mighty steel-forged hammer for forging cutlery. It was so big that obviously only a very big and vigorous man could handle it. Wilfried was so fascinated that he acquired it and brought it to Salzau. Since every silversmith needs a whole set of hammers for various stadiums in the silversmithing process, the hammer triggered the imagination of all those who participated in the workshop. Jan, always passionate about old smithing tools and collector of forging tools, became lyrical and soon the plan emerged to forge a hammer to be given to Wilfried as a present at the end of the workshop. Its production was a joint effort between Bo-Hyung Koh and Jan Wege.

The hammer was presented to Wilfried at the farewell party in the coach house of the castle. For him it was love at first sight. Wilfried put the hammer into his belt comfortably and even when later on he danced exuberantly he did not put it aside. The hammer had nice proportions and a slightly recessed handle. With its long, slightly curved arms, it is particularly well suited for forging beakers. Ever since this hammer has become the emblem of the HammerClub and can be recognized on its website.

A year earlier Wilfried had led a course in hot forging in the mountains of Thailand. For him silversmithing is far more than merely a handicraft: it is a synonym for life, a philosophy. Hammering or raising metal is not a monotonous activity, but a process that sets the mind free and is closely connected with the cleansing power of fire. During such revelations I always listened fascinated to Wilfried.

Stories about hammers, large or small, old or new, homemade or industrially produced, special or standard, already in museum collections or still for sale, I repeatedly heard about them in conversations with Wilfried and Jan. Over and over they praised their beauty, form and efficiency. At such a moment the idea was born to bring together a group of hammer enthusiasts. What lacked was a proper occasion. However, this occurred at the annual craft exhibition at the Museum für Kunst und Gewerbe (Museum of Art and Industry) at Hamburg in November 2002. Silver work was established as a focus of the show, and for this we invited as many silversmith guests as possible.

The press release of the museum noted: “This year’s special emphasis will be laid on twelve silversmiths and metal workers. Their work, including tea and coffee pots, candlesticks, bowls, fondue sets, salt and pepper containers, warmers, napkin holders, serving trays, serving utensils etc. are without exception handmade and of exquisite quality. Among the exhibitors will be numerous guests from Bavaria. A particular highlight will be the stand of the silver craftsmen from the Akademie der Künste (Academy of Fine Arts), Nuremberg, under the direction of Professor Ulla Mayer. The Academy in Nuremberg is one of the few training centres for silversmiths remaining in Germany, bronze and iron-casting is also taught there.”

In order to draw extra attention to silver work during the fair a small symposium in the foyer of the museum was held on Saturday afternoon. Besides Wilfried Brömstrup, Berthold Hoffmann, Dedo von Kerssenbrock-Krosigk and Ulla Mayer Wilfried Moll gave a talk; his title was “Beschwingte Hämmer – Swinging Hammers”.

In the evening the gallery owner Hilde Leiss invited us for a reception and dinner in her gallery at the Großer Burstah. I quote a few sentences from the invitation which I had written for that event: “Some time ago Wilfried Moll, Allan Scharff and Jan Wege constituted the so-called Hammer Club, a group of silversmith friends. From the first moment it enjoyed great interest (…) The HammerClub is still an informal circle of friends. Nevertheless, it has quickly developed into an active community. It’s time to get to know each other. That is what we want to realize on November 30th, 7 o’clock in the gallery rooms of Hilde Leiss, Großer Burstah 38, 20457 Hamburg. The HammerClub celebrates its first party. If you want to be present and agree with a fee of 15 Euros, please let me know before November 15th. Space is limited and drinks will be included (…) The HammerClub hopes for enthusiastic response and greets you warmly.”

Of course, it was not entirely true that the HammerClub had already existed. There were tactical reasons that made us to presuppose its existence in order to avoid long-winded policy discussions.

Inspiration for the idea of the HammerClub, at least in my mind, was the Dutch “Zilverclub”, a circle of friends of Dutch silversmithing. I met them back in 1980 at the Overstolzenhaus, Cologne, at the occasion of a guided tour in the exhibition “Ein rheinischer Silberschatz”. On this occasion I met the “chairman” Wim Hofman and his deputy Annelies Krekel-Aalberse and learned how the Dutch silverfriends were organized without statutes of an association; they came together on special occasions, at exhibitions, at home and abroad. Each participant organized his own trip, they exchanged ideas and in advance planned the next meeting. Apparently this model worked very well, the active participation of the “members” was extremely high. There was no membership fee, and all members participated voluntarily.

The evening in the Hamburg gallery was very lively. Many silversmiths had come, Hilde Leiss had cooked wonderfully and her hospitality was second to none. After dinner I threw myself into a speech in which I expressed my joy about the meeting and introduced the HammerClub, so to speak, “officially”. I would have liked to suggest a president to pass the word on to him, but as yet, no one was prepared to take on the job. For a moment I was disappointed, but in hindsight it did not turn out as a problem; it soon became apparent how well the HammerClub could function without a president. The decisive factor was the desire to continue the initiative.

Luckily some participants from other cities who were present at Hilde Leiss’ agreed to prepare a large HammerClub meeting in the foreseeable future. As I recall, the Berlin meeting in Spring 2004 was the first of its kind. Thereafter each year a meeting followed and soon we gathered also abroad, in Kolding, s’Hertogenbosch, Copenhagen, Antwerp and Trondheim.

Ever since the first Hamburg meeting many silversmiths have connected with the HammerClub, as one big family. The HammerClub has the good fortune that Jörg Schwandt and Peter Krebs, two dedicated lovers of silversmithing, have taken on the organization of the meetings; they write articles and do excellent press work for a wider audience. Today the HammerClub is permanently settled, and in the concert of the applied arts it has an audible voice, not only in Germany.

We must continue to advertise the art of silversmithing. In this sense I wish the HammerClub a great future.

Rüdiger Joppien